13.Oktober 1845 Ärmelkanal

das Schiff längst der englischen Küste äußerst langsam in den Kanal hinein zu treiben. Auf der Küste wurden, sobald es dunkel wurde, auf einigen hiezu bestimmten Thürmen Feuer angezündet, die den Seefahrern zur Richtschnur während der mondhellen Nacht dienten, damit sie mit ihren Schiffen den schroffen Kreidefelsen nicht zu nahe kommen und so Gefahr laufen konnten. Da indessen das Wetter heute nach so vielen kalten und rauhen Tagen ausnehmend warm und schön war und der Abend durch den milden Schein des beinahe in seiner vollen Scheibe heraufsteigenden Mondes erhellt und sehr anmutig war, so befand sich die ganze Schiff Bevölkerung in einer fröhlichen Stimmung, so daß die jungen Leute, besonders die sehr lustigen Matrosen, anfingen ihre Fröhlichkeit durch Aufführung eines Tanzvergnügens zu erkennen zu geben. Dieses Vergnügen fand statt auf dem Verdeck vor den Fenstern der Kajüte. Ein Jüngling, der zu den Auswanderern gehörte, machte auf einer Geige die Musik und der freundliche Mond gab durch sein milden Schein das hierzu erforderliche Licht. Das Schiff schwebte sehr langsam fast unmerklich längs der Küste Englands bis ungefähr gegen Mitternacht immer weiter in den Kanal hinein. Nach Mitternacht erhob sich ein ziemlich kräftiger Wind aus Süden, der uns dann schnell in einer südwestlichen Richtung weiter trieb. Unser Neptun segelte ungemein schnell und daher den Namen "Schnellsegler” mit Recht führte, ließ alle neben und vor uns segelnden Schiffe weit hinter sich zurück.

Montag den 13. Oktober 1845 hielten wir uns immer in der Nähe der Küste von England und zwar aus dem Grunde, weil die französische Kiste voller Klippen sein soll, die den Seefahrer leicht gefährlich werden können, was längs der englischen Küste aber nicht der Fall ist. Auf der Küste Englands schwebten unseren Blicken grüne Felder, Berge, Häuser, Dörfer und Städte vorüber. Der Wind, der blies den ganzen Tag und die ganze Nacht in derselben Richtung und trieb das Schiff südwestlich in pfeilschneller Bewegung den Kanal entlang, wobei wir immer die Küste Englands im Gesicht behielten. Von der französischen Küste sahen wir indes seit unserem Eingang in den Kanal nichts weiter. Auch fangen wir jetzt an uns immer weiter und weiter, auch von der englischen Küste zu entfernen und dieselbe sich allmählig aus unserem Gesichtskreise

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