Da wir sexuell nicht aufgeklärt wurden, besorgten wir uns die nötigen Informationen mit Hilfe unserer Freundinnen. Mama tat immer so, als wäre es etwas schrecklich Peinliches, seine Tage zu haben und nannte es verschämt ‚ich habe meinen Besuch gekriegt’. Waren die Eltern nicht im Haus, ob bei Bettina oder bei uns, dann stöberten wir in den Büchern herum. Fündig wurden wir besonders in den Gesundheitsbüchern. Dort betrachteten wir die Bilder von nackten Menschen, in der Mitte halbiert, um die äußeren und inneren Geschlechtsteile sehen zu können. Wir sahen schwangere Bäuche und das Heranwachsen der Babys und spielten mit Bettina Geburtsszenen nach. Von einer amerikanischen Austauschschülerin erfuhren wir das erste Mal von Tampons und wie man sie gebraucht. Welche monatliche Erleichterung! Außer Präservativen war uns kein Verhütungsmittel bekannt. Schulkameradinnen erzählten, man könne vom Küssen schwanger werden, oder wenn man zusammen mit einem Jungen in einer Badewanne sitze. Dies alles wurde heiß diskutiert, aber bislang waren wir noch alle ungeküsst. Das änderte sich kurz vor meinem 15. Geburtstag.

Der Verlobte meiner Kusine Lydia namens Klaus kam zu Besuch. Er saß mit den Eltern im Wohnzimmer und unterhielt sich. Als er gehen wollte, begleitete ich ihn nach draußen und zeigte ihm unseren neuen roten Fiat. Er fragte mich, ob ich nicht mit seinem Auto eine kleine Spazierfahrt machen möchte. Ich fragte Papa um Erlaubnis. Klaus jagte ein Stück die Autobahn entlang. Auf der Brücke nach Achim hielt er an und sagte, er brauche wohl nichts mehr zu sagen und ich wisse wohl Bescheid. Ich bejahte, obwohl ich nichts wusste. Er fasste mich um die Taille, spielte mit meinen Haaren und küsste mich. Ich wusste nicht, was ich machen sollte und hätte mir am liebsten die Reste seiner Spucke vom Gesicht gewischt. Sie begannen zu trocknen und das juckte. "Entschuldige, " sagte er, "du hast ein süßes Gesicht. Ich möchte dich gerne mal fotografieren. Wie alt bist du eigentlich?" Ich sagte nicht viel. Er sah mir ununterbrochen in die Augen und küsste mich noch ein paar Mal. Es waren mindestens sechs Küsse, aber ich wusste nicht, ob es schön gewesen war. Auf jeden Fall war es furchtbar peinlich. Das war das dominierende Gefühl. Er fuhr mich wieder nach Hause und ich blieb mit zitternden Knien zurück.

Ich traf ihn noch einmal in einem verwilderten Garten an der Weser. Dort saßen wir auf einer zerfallenden Mauer, er sah mir tief in die Augen und fragte mich, ob ich ihn gern hätte. Das wusste ich nicht, aber es gefiel mir schon, mit ihm zu flirten. Als er mich küsste und dabei halb auf mir lag, spürte ich durch die Kleidung sein Geschlecht. Das wurde mir dann doch etwas zu viel. Froh, wieder zu Hause zu sein, schrieb ich heroisch in mein Tagebuch, dass ich ihn meiner Kusine zuliebe aufgeben wolle. Irgendwie haben die Eltern von der Sache erfahren. Es ging ein Geraune durch die ganze Familie, aber mich kümmerte das wenig; ich war noch ein Kind.

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