Das Gymnasium Barkhof lag in der Innenstadt von Bremen nahe dem Bürgerpark und der Bürgerweide, wo der berühmte Freimarkt stattfindet. Das alte mehrstöckige Gebäude war schön anzusehen, von Bäumen und Villen sowie Patrizierhäusern umgeben. Das einzige Schandmal war die neuangebaute Turnhalle mit einer Wand aus Glasbausteinen.

Wir betraten das Gebäude am Seiteneingang, wo ein abwärtsführender Gang in die Kellergewölbe führte. Dort führten wir unsere Fahrräder hinunter, stießen die schwere eichene Holztür mit dem Fuß auf und hängten mit einem Schwung unsere Fahrräder an eiserne Haken in der Decke. Den sechs Kilometer langen Schulweg fuhren wir bei jedem Wetter, ob Hagel, Sturm oder Schnee mit dem Rad. Durch den Haupteingang ging man eine Treppe hoch, öffnete mit Mühe das riesige Eingangsportal, winkte dem Pförtner in seiner gläsernen Loge zu, durchquerte eine geflieste Halle und hatte dann etliche Treppen und Flure zu den Klassenräumen zu überwinden. Neben jeder Klassenzimmertür befand sich ein Schild aus Messing mit der Nummer der Klasse. Ich kam in die 7c. In den c-Klassen waren diejenigen Schüler, die nach der sechsten Klasse auf das Gymnasium wechselten und von der Lehrerschaft mit den Worten begrüßt wurden: "Ihr müsst euch gehörig auf den Hosenboden setzen, damit ihr das Niveau der Klassen a und b erreicht. Sie sind euch zwei Jahre voraus." In ihren Augen blieben wir immer die Unfähigen, die es nach der vierten Klasse nicht geschafft hatten. In Wirklichkeit wollten uns die Eltern noch zwei Jahre unbeschwerte Kindheit auf der Volksschule gönnen, und das danke ich ihnen noch heute, denn auf dem Gymnasium waren die Lehrer die natürlichen Feinde der Schüler. Wohlwollen wurde uns selten entgegengebracht. Es herrschte Krieg, der in der Regel von den Mächtigen, den Lehrern, gewonnen wurde.

Von den 900 Schülern kannte ich niemanden außer meiner Schwester, zu der ich in jeder Pause strebte. Sie kümmerte sich aber verständlicherweise lieber um ihre Freundinnen, und ich gehörte nicht so recht dazu. Immerhin stand ich auf diese Weise nicht allein auf dem Schulhof. Die Lehrer kannten mich nicht und ich kannte sie nicht. Ich ging unter in der Anonymität und versuchte unauffällig, unsichtbar zu sein. Das befreite mich vom Druck, das gute Mädchen zu mimen und ständig beste Leistungen zu vollbringen. Den Lehrern wollte ich nun auch nicht mehr gefallen, sondern nur noch meinen weiblichen und männlichen Freunden. Die männlichen waren eine Option auf später, die weiblichen stellten sich bald - trotz meiner Anhänglichkeit an meine Schwester - ein.

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