Manches Jahr hörte es gar nicht wieder auf zu regnen. War alles klamm und feucht, packten wir unsere sieben Sachen und machten uns auf den Heimweg. In Hollen wollte Papa Zwischenstation machen und das nasse Zelt trocknen. Opa hatte ein neues Wochenendhaus zwischen Bremen und Bremerhaven gekauft, das in dem winzigen Dorf Hollen lag. Dieses Haus war eine zerfallende Bauernkate mit Strohdach auf 4000 Quadratmeter Grundstück. Anstatt Fußböden lag heller Sand in manchen Räumen. Auf der Tenne befand sich ein stinkendes Plumsklo und überall gab es riesige Spinnen. Rixa und ich wollten unbedingt nach Hause. Wir sehnten uns nach einem Bad mit Badewanne, wir wollten endlich unsere Haare waschen und mit unseren Freunden telefonieren. Doch Papa nahm auf unsere Wünsche keine Rücksicht. Es wurde so gemacht, wie er das wollte. So begannen Rixa und ich zu mosern, meckern, jammern und jaulen, halfen nicht, das Auto zu entladen und hatten an allem etwas auszusetzen. Das ging so eine Zeitlang weiter, bis Papa der Kragen platzte und uns jedem eine ordentliche Ohrfeige gab. Wir waren völlig verdutzt, erschrocken, verstummten sofort, krochen ohne ein weiteres Wort in die ungeliebten eisernen Stockbetten, und weinten uns in den Schlaf. Wir schworen uns, nie mehr mit ihm zu sprechen, hielten das auch den ganzen nächsten Tag durch und konnten uns gar nicht beruhigen über soviel Ungerechtigkeit und die erste und einzige Ohrfeige von unserem Vater.

Als es das Haus in Hollen noch nicht gab, machten wir auf der Rückfahrt oft Station bei Onkel Max, am Nord-Ostseekanal in der Nähe von Rendsburg. Er hatte Bienenstöcke und gab uns gelegentlich selbstgeschleuderten Honig mit. Ich liebte die roten Johannisbeeren in seinem Garten, aber noch mehr begeisterte uns seine Würstchenbude auf der anderen Seite des Kanals. Onkel Max bugsierte die Autofähre über den Nord-Ostseekanal. Den ganzen Tag fuhr er vom rechten zum linken Ufer, von seinem Wohnhaus zu seinem Stand. Dort beköstigte seine Frau Miede die Gäste mit Frikadellen, Würstchen, Eis, Bonbons und Schokolade. Am Kanal standen einige Gartenstühle und Tische mit Sonnenschirmen. Für Rixa und mich war es das Paradies: Wir fuhren auf der Fähre hin und her, kletterten überall herum beim Inspizieren des Schiffes und durften sogar auf die Kommandobrücke. Hatten wir dazu keine Lust mehr, setzten wir uns auf die Gartenstühle, schauten auf das Wasser und beobachteten die großen und kleinen Schiffe, die von der Nordsee zur Ostsee schipperten oder umgekehrt. Dabei spendierte uns Tante Miede Limonade, Eis und Würstchen. Reisten wir weiter, steckte sie uns immer eine Tafel Schokolade zu.

Unsere Reisen nach Dänemark konnten wir noch einige Jahre fortsetzen, aber dann, Anfang der siebziger Jahre, war die Idylle endgütig vorbei. Unser Bauer hatte die Landwirtschaft aufgegeben, hatte eine Nerzzucht begonnen, was wir bei einer Besichtigung tierquälerisch fanden. Dann stieg er voll in den Tourismus ein, baute an der Straße einen Campingplatz und in den Dünen ein Ferienhaus nach dem anderen. Wir waren verwöhnt und kannten ein anderes Dänemark ohne Touristen, mit weiten menschenleeren Stränden und unverbauter Natur. So fuhren nicht mehr hin und suchten uns andere Reiseziele.

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