12. November 1845, Atlantik, westlich von St. Thomas

gegenüber, ohne solche sehen zu können und 8 Tage oder noch 120 Meilen von St Domingo entfernt. Diesen Abend belustigte der Passagier Mediziner Reuß *), ein Baier, die Schiffsbevölkerung durch einige Stücke der Taschenspielerkunst, und nachdem solches Geschehen, begab sich jeder zur Ruhe.

Die meisten bereiteten sich ihr Lager auf dem Verdeck. Der freundliche Mond schien hell und stand senkrecht über dem Scheitel, als ihn plötzlich eine Regenwolke bedeckte, sich ihres Wasserüberflusses anfing durch einen Regenschauer zu entledigen, die Schlafenden von ihrem süßen Schlummer zu erwecken und sich sämmtlich vom Verdeck ins Zwischendeck zu verjagen. Dabei erhob sich ein sehr starker Wind, der die Segel bis zum zerplatzen anschwoll, das Schiff auf die Seite legte und pfeilschnell über die schäumenden und hoch aufthürmenden Wogen vor sich her peitschte. Der Sturm hielt die ganze Nacht an und lößte sich erst mit Tagesanbruch in einem Gewitter wieder auf.

Mittwoch den 12. November 1845 ließ das Toben des starken Windes mit Sonnenaufgang gänzlich nach. Die See beruhigte sich allmählich wieder und der Neptun bewegt sich den ganzen Tag nur mit mäßigem Laufe unter fortwährenden starken Schaukeln von einer Seite zur anderen weiter fort.Gegen Abend wollte man in südwestlicher Richtung Land gesehen haben. Einige der Kajütenpassagiere stiegen an der Strickleiter des Hintermastes hinauf und Zeichen der ganzen Schiffsevölkerung die Richtung an in welcher das Land zu sehen sei. Alle richteten ihre Blicke dahin, sowie auch ich, aber ich konnte durchaus kein Land gewahr werden.

Donnerstag den 13. November 1845 des Nachts waren wieder große Regenschauer, die die Nachtwandler vom Verdeck verscheuchten, um Schutz im Inneren zu suchen. Des Morgens beim Aufgang der Sonne, o Wunder! entfaltete sich vor unseren Blicken ein großes von hohen Gebirgen umgebenes Land und zur linken Hand liegen bleibend. Es war die mächtig große Insel St. Domingo, die man schon gestern von Ferne wahrgenommen hatte. Diese Insel ist größtentheils von Negern bewohnt, die früher Sklaven der Weißen waren, jetzt aber in unabhängiger Freiheit leben und Herren der Insel sind, die sich eine republikanische Verfassung gegeben haben. Das von den Seeleuten uns schon gestern gezeigte


*) Joseph Reuss aus Mellrichstadt, zitiert aus https://www.immigrantships.net/v3/1800v3/neptune18460000.html

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